Dienstag, 30. Mai 2017

Der verschwundene Fon von Mbiame


  

Trauer und Tradition


Vor einigen Monaten ist der Fon von Ivolines Heimatdorf Mbiame gestorben, oder besser gesagt, da traditionelle Herrscher in der Banso-Kultur* nicht sterben, verschwunden. Was folgte, war eine große Trauerfeier und eine zweimonatige Trauerzeit in und um den Palast herum. Mitte März nahm Ivoline Eli, Jordan (ein anderer deutscher Freiwilliger) und mich mit auf einen Besuch zu ihrer Familie um das ganze Geschehen zu beobachten. Nachdem wir von Ivos Familie herzlich in ihrem Haus begrüßt wurden und uns etwas ausgeruht hatten, machten wir uns auf den Weg zum Palast und stürzten uns ins Gewusel von den vielen Dju-Djus und Schaulustigen. Davor mussten wir uns aber noch umziehen, da Frauen auf dem Palastplatz nur in Wrappers gekleidet sein dürfen. Die Frauen des Dorfes müssen zudem auch noch all ihre Haare abschneiden als Symbol ihres Schmerzes. (Ivo war deswegen bedacht ja nicht zu lange in der Nähe des Palastes zu bleiben, damit auch keiner auf die dumme Idee käme ihr auch noch die Haare abschneiden zu wollen.) 

auf dem weg zum Palast
*Banso bezeichnet das Gebiet um Kumbo herum,
in welchem der Dialekt Lamso` gesprochen wird.

Die Königinnen und Prinzessinnen des Fondoms (Herrschaftsgebiet eines Fons) trauerten zudem in einen abgelegenen Raum, den sie für die Dauer des Trauerprozesses nicht verlassen durften. Tatsächlich stand allerdings im April ernsthafte Feldarbeit an, bei der man auf die Unterstützung der königlichen Frauen nicht verzichten wollte, weswegen ab dem zweiten Monat nur noch drei Tage der Woche traditionell getrauert wurde, während einen im Rest der Woche schon wieder die alltäglichen Pflichten eingeholt hatten. Auch wenn der Raum für die Königinnen an sich etwas düster und karg wirkte, begrüßten uns die Hoheiten um so freundlicher; wir durften und wurden aufgefordert Fotos zu machen und bekamen Palmwein sowie Kolanüsse (eine bittere Nuss, die häufig bei traditionellen oder festlichen Anlässen geteilt wird, als Zeichen des Friedens, der Gastfreundlichkeit und Zusammengehörigkeit). 



das Königinnenhaus


unter Königinnen
Danach baten wir oder genauer gesagt bat Ivo für uns noch um eine Audienz beim neuen Fon, der während der Trauerzeit nicht aus seinem Palast heraustreten durfte. Ivoline erklärte uns, dass, nachdem ein Fon gestorben ist, ein Nachfolger aus seiner Linie meistens von einem traditionellen Rat ausgesucht und bestimmt wird. Das Problem ist nur, dass die meisten Männer gar nicht Fon werden wollen und um sich vor dieser Rolle zu drücken, die man nicht ablehnen kann, häufig weglaufen und versuchen sich zu verstecken bis ein anderer Fon für das Dorf gefunden worden ist. Andersherum versuchen Leute aus dem Dorf den möglichen Nachfolger zu finden und zu fangen um ihn zurück ins Dorf zu bringen und quasi gegen seinen Willen zu krönen. (Häufig bekommen wir beim Justice and Peace Office Fälle von Männern, welche nicht die Position eines Familienoberhaupts übernehmen wollen aber von ihrer Umgebung dazu genötigt und gezwungen werden und uns bitten als Vermittler aufzutreten.)

Ob der nun gefundene Fon freiwillig angetreten ist, weiß ich nicht, aber er war auf jeden Fall höflich und für die Verkrampftheit, die einer solchen Audienz immer mitschwingt, sehr nett. Wir bekamen ein Huhn geschenkt, was in der nächsten Woche bei Ivo im Topf landete. (Mein Vegetarier-Dasein wird inzwischen auch eher nur noch theoretisch als praktisch umgesetzt. J)


Zudem ist der neue Fon ein alter Schulfreund von Ivoline, dem sie früher einmal ebenbürtig gegenüber stand; von der alten Vertrautheit konnte man allerdings beim Empfang nichts mehr merken. Als ich sie fragte, ob es ihr nichts ausmache sich jetzt so unterwürfig vor ihm zu verbeugen und Blickkontakt meiden zu müssen, verneinte sie dies allerdings und erklärte, dass sie beide nur ihre Rolle einnehmen würden, die aus der Tradition heraus von ihnen erwartet wird. Der Fon wird als Dorfvater angesehen, dem man seine Probleme anvertrauen kann und der sich jenen annimmt; als Gegenleistung werden ihm Respekt und Ansehen (und Geschenke) gezollt.

Was Ivoline aber sehr wohl an dem ganzen Traditionsbewusstsein stört, ist die Rolle, welche der Frau zugeschrieben wird. Es ist schon ein klares Zeichen von Ungleichheit und Einschränkung,  wenn wir Frauen nur in Tüchern bekleidet sein dürfen und jedes Mal unsere Schuhe ausziehen müssen bevor wir einen Platz des Palastes betreten dürfen, während die Männer sich keine solchen Sorgen machen und ganz normal ohne Auflagen herumlaufen dürfen. 

Das ging dann auch noch so weiter als wir am 6. Mai nach Mbiame zurückkehrten um beim Marsch teilzunehmen, welcher die Trauerperiode beenden sollte. Diesmal trugen alle Frauen rote Gewänder, da rot die Farbe der Trauer symbolisiert, und während Eli und ich uns irgendetwas rotes hatten schneidern lassen, hatten die Frauen des Dorfes alle ein und denselben Stoff an, welchen sie extra für diesen Tag bekommen hatten und den sie danach auch nie mehr verwenden würden. Um den Palast herum stieg ein riesen großes Fest mit unglaublich vielen Dju-Djus, die ich teilweise noch nie davor gesehen hatte. Zudem traten auch die „Soldaten” des Palastes in traditioneller Kleidung auf, bewaffnet mit veralteten Gewehren oder Bogen, mit denen sie immer wieder in die Luft schossen. (Allerdings waren die Gewehre wie man uns erklärte nicht mit echter Munition geladen.)

beim schneidern des Trauerkleids ;)
Der Marsch begann indem die Königinnen und Prinzessinnen ihr Trauerhaus verließen und klagend summend in einer Linie an den Zuschauenden vorbeiliefen. Die Frauen vom Dorf (sowie Eli und ich) schlossen uns der Reihe an und gingen zusammen barfuß circa eine halbe Stunde über Stock und Stein, bevor wir wieder beim Palst ankamen. Die Hände hatte man dabei am Gesicht, um sein Wehklagen zu zeigen, und eigentlich sollte auch nicht geredet werden. Zum Schluss brachen aber dann doch die meisten gerade diese letzte Regel um sich über den harten Weg und die „Soldaten“, welche immer wieder in normaler Kleidung und Schuhen vorbeiliefen um irgendwelche Anweisungen zu geben, zu beschweren und ich war erleichtert zu erfahren, dass ich nicht die einzige mit schmerzenden Füßen war. Anfangs hatten wir alle noch ein Weidengeflecht um unsere Hüften gebunden, welche dann später während dem Marsch von einem Dju Dju vor einem kleinen Bächlein, das wir danach durchquerten, abgerissen wurden. 

Als wir wieder beim Palast ankamen, zogen sich die Frauen erst einmal um. Alle trugen nun ganz bunte Kleider und inzwischen war wieder alles, bis auf rot, erlaubt, außerdem setzen die meisten Frauen auch ihre Perücken auf und sahen mit Haaren schon wieder viel lebhafter aus. Eli und ich wurden jetzt häufig als die zwei Weißen vom Marsch erkannt und auch wenn viel über uns gelacht wurde, merkten wir glücklicherweise trotzdem, dass die Leute sich an unserer Teilnahme erfreuten und nahmen uns in den Kreis der Frauen aus Mbiame auf J.
Es wurde also fleißig weiter gefeiert im Palast, jetzt aber nicht mehr als ein Fest der Trauer über den verlorenen Fon, sondern als eine Feier der Freude über den neuen Fon und das Leben allgemein.




Samstag, 20. Mai 2017

Die Sache mit dem Katholizismus


Januar bis April Teil II



Am ersten April hatten ein paar Freiwillige aus Kumbo und ich die ziemlich coole Möglichkeit, in einem kamerunischen Musikvideo mitzuspielen und mitzutanzen.

Jaro, ein deutscher Freiwilliger in Kumbo, hat nämlich mit Chrisco, einem Freund von uns und Producer seines eigenen Musikstudios, inzwischen schon das zweite Lied aufgenommen. Der Mix von kamerunischen und deutschen Einflüssen klingt, meiner Meinung nach, immer sehr spannend und bei diesem Lied „Blessings“ wird zudem auf Englisch, Pidgin, Lamso und Deutsch gerappt, also alles sehr interkulturell und einfach nur schön. Ihr seht, ich bin begeistert und so fand ich auch den Drehtag richtig witzig.

Angefangen haben wir mit Jaro´s Part in Mbve auf dem Markt; die Leute um uns herum waren überraschenderweise echt begeistert und erfreut und haben häufig angefangen zu klatschen, mitzusingen und zu tanzen. Die Befürchtung komisch angeguckt zu werden, war also anscheinend völlig unbegründet und mir hat es auch mehr Spaß gemacht mit den Mamis von den Obstläden zusammen zu tanzen. Danach gings weiter zu einem Wasserfall in Shisong, in denen noch Szenen mit Jaro und KMG (einer Band von Chrisco) gedreht wurden.

Mit der ganzen Crew war die Wanderung dahin ein echtes Erlebnis und auch wenn ich selbst immer noch nicht so ganz von meinen eigenen Tanzkünsten überzeugt bin, war es schön Teil von diesem Ganzen zu sein. Wir haben so viele schöne Szenen und Zusammenspiele von Markt(bewohnern) und Jaro gesehen und Chrisco hat so viele coole Momente aufgenommen, welche natürlich leider gar nicht alle in das Video reinpassten, trotzdem finde ich, kann sich das Endergebnis sehr gut sehen lassen. Chrisco hat es derweil hochgeladen; hier der Link zu seinem Youtubekanal wo auch andere echt gute Lieder zu finden sind:

https://www.youtube.com/watch?v=kCspUXX0QQE 



Die Arbeit hatte Eli und mich ab April wieder im Jugendzentrum verankert, um das dreitägige Jugendcamp um den „World Youth Day“ mitzugestalten und mitzuerleben. Das Camp ging vom Freitag den 7. April bis zum Palmsonntag und fand in Tabenken, einer Gemeinde des Bistums, statt. 

Im Jugendzentrum und dem Jugendteam an sich hatte sich während wir weg waren viel getan und wir wurden von vielen neuen Gesichtern begrüßt. Das war zwar einerseits etwas seltsam und wir mussten erst einmal wieder Anschluss finden aber es war auch schön endlich so viele junge Leute glücklich und aktiv im Zentrum zu sehen. Eli und ich wurden auf unseren Wunsch hin ins Küchenteam für das Camp eingeteilt. Bei ähnlichen vorherigen Veranstaltungen fiel mir nämlich auf, dass ich es teilweise anstrengender fand, keine Aufgabe zu haben, also gefühlt „nutzlos“ dabei zu sein und dann immer mitten im Geschehen sein zu müssen, weswegen ich froh war dieses Mal eine feste Aufgabe zu haben, mich aber auch manchmal in die Küche „zurückziehen“ zu können.


Die Frauen dort nahmen uns herzlich auf und wir schnibbelten, pflückten und redeten gerne mit ihnen. Insgesamt musste für mehr als 3.000 Jugendliche aus allen Gemeinden des Bistums gekocht werden und das Küchenteam teilte sich auf die einzelnen Gemeinden auf, die auch jeweils unterschiedlich untergekommen waren. Hierbei funktionierte allerdings leider die Kommunikation zwischen den einzelnen Kochteams nicht so gut und so kam es, dass einige Gemeinde viel zu viel hatten und ihr Essen anfing schlecht zu werden, während andere Gemeinden nicht genug Essen hatten um all ihre Jugendlichen satt zu bekommen.

Auch wenn ich gerne bei diesen Massenküchen beobachtet und mitgeholfen hätte, landeten wir hauptsächlich bei der Kochstation, welche für die Priester und den Bischhof kochte. Diese bekommen bei solchen Veranstaltungen nämlich immer extra Mahlzeiten, die besser und aufwendiger zubereitet sind und essen dann auch meist unter sich oder wenigstens an einem seperaten Tisch. Die Jugendlichen dagegen bekamen teils einfach nur Reis (mit einer kaum vorhandenen Soße) und nur zwei Mahlzeiten pro Tag. Eli und mich bringt das teils in eine ungeschickte Lage, da wir als europäische Freiwillige häufig (und ja auch netterweise) eingeladen sind mit am Priestertisch zu essen, wir aber natürlich lieber ganz normal mit den anderen Jugendarbeitern und –freiwilligen essen würde, ich aber einerseits Schwierigkeiten habe, solche Einladungen auszuschlagen und mich auch einfach, wenn ich zu lange nichts oder nur zwei bis einmal täglich richtig esse, nicht mehr wirklich wohlfühle oder konzentrieren kann.


Für die Jugendlichen gab es während dieser drei Tage immer viel Programm und wenig Schlaf (und Essen, wie gesagt). Das Hauptprogramm bestand hauptsächlich aus religiösen Talks, Messen und Gebetsstunden, aber eine Rally gab es zum Glück auch. Mehrere Kinder brachen zudem unter der Sonne zusammen und mussten ins Health Centre* gebracht werden. Am Samstagabend kam dann Bischhof George und eigens für ihn hatten die Gemeinden sich Tanz- und Gesangseinlagen ausgedacht,  geprobt und führten diese nun voller Stolz vor. Ich fand es ein bisschen schade, dass dieses Spektakel nur die Priester und Nonnen und die vorderen Reihen sehen konnten und den anderen durch die Massen im Publikum die Sicht versperrt blieb. Am Palmsonntag segnete der Bischhof Palmzweige und eine Abschlussmesse fand statt, bevor es dann für alle schon wieder nach Hause ging. Für mich persönlich waren diese drei Tage doch schon wieder sehr anstrengend; man muss aber auch dazu sagen, dass sowohl Eli als auch ich beide krank wurden während der Zeit und ich mich persönlich auch noch nicht mit solchen Festivalmessen anfreunden konnte, bei denen unser Mentor die Jugendlichen auffordert auf einem Bein zu hüpfen und die Hand auf den Kopf zu legen als Beweis, dass sie an Gott glauben und Jesus lieben. ABER den Kindern scheint es gefallen zu haben und Fr Francline sprach von einem allgemeinen Erfolg und dass ist ja eigentlich das wichtigste und die Meinungen, auf die es ankommt.

*ein Health Centre ist eine Art Krankenhaus, nur dass in diesem keine Ärzte arbeiten, sondern die Patienten allein von Krankenpflegern behandelt werden; solche Zentren gibt es häufiger in kleineren Dörfern.


Nach einem ernsthaften Putz- und Waschtag am Montag ging es für uns beide schon gleich wieder weiter. Diesmal ging es nämlich ins Kloster. Richtig gehört (oder gelesen), Eli und ich verbrachten die Osterwoche mit den Nonnen des Ordens Mary Morningstar, welche in dieser Woche ihre Türen öffneten, für uns und zukünftige Novizinnen, die kommen und so Ostern ganz besonders erleben wollten. Neben uns waren also noch einige kamerunische Mädchen und vier Freiwillige aus Frankreich, Mexiko und den USA da.
Der Orden wurde in Frankreich gegründet und die Nonnen kommen aus aller Welt. Sie sind „contemplative sisters“, was so viel bedeutet wie besinnliche Schwestern. Ihre Hauptbeschäftigung besteht also nicht darin, irgendeine weltliche Aufgabe oder Wohltätigkeit auszuführen, sondern sich nach innen zu bekehren, bescheiden zu leben, zu beten und sich zu bilden. (Dabei schaffen sie es aber erstaunlicherweise trotzdem noch, meistens super gut gelaunt zu bleiben und dauernd irgendwelche Späße zu machen). So erhofften sie sich auch aus dieser Woche, die Bibelgeschichte nachzuleben und so gefühlt ihrer Jesusvorstellung näher zu kommen.

Meistens fing der Tag mit einem gemeinsamen Morgengebet um sechs Uhr früh an, zu dem ich häufig noch im Schlafanzug kam. Danch gab es Frühstück (die Nonnen essen immer alleine in ihren Zimmern, ohne zu reden, aber daran mussten wir uns zum Glück nicht halten) und dann ging es weiter mit jeweils einer Stunde Bible Sharing und Philosophieunterricht. Am Nachmittag wurde dann meist im Kerzenworkshop mitgeholfen und abends fand täglich eine Messe statt und danach noch einmal ein Abendgebet. Dazu möchte ich sagen, dass wir zu nichts von alle dem gezwungen wurden, aber so sah nun einmal der Alltag der Sisters aus und wer diesen miterleben wollte, war herzlich eingeladen, sollte es einem aber mal zu viel werden, hat keine der Nonnen auch nur schief geguckt, wenn man sich zurückgezogen hat oder das Bible sharing ausfallen ließ. Der Kerzenworkshop ist übrigens sehr beeindruckend, das Kloster stellt die Kirchenkerzen für das gesamte Bistum her und gerade jetzt vor Ostern wurde alles rausgehauen für die wunderschön verzierten Osterkerzen. Manche Priester kamen zu uns mit Extrawünschen für ihre Gemeinden und wollten die Kerzen den Sisters direkt etwas günstiger abkaufen, eigentlich ist so etwas ja vom Bischof verboten aber die Sisters machten mit und irgendwie waren diese illegalen Kerzengeschäfte doch recht amüsant mit anzusehen.

Am Mittwoch war ein riesiger Gottesdienst in der Kathedrale, die „Chrism mass“, in der das Öl für die Kommunion, Firmung etc. vom Bischof gesegnet wurde und die Priester ihre priesterlichen Versprechen erneuerten. Es gab eine riesen Offertory (Spende), die mal gute 1 bis 2 Stunden dauerte und es wurden unter anderem Säcke voll mit Reis, Bohnen und allen anderen Lebensmitteln sowie Tiere wie Kühe, Schafe und Hühner gespendet und die Leute tanzten mit ihren Gaben nach vorne. Um das ganze zu verkürzen wurde es allerdings Leuten verboten, wenn sie nur eine geringe Spende wie ein Stück Seife hatten, nach vorne zu tanzen, ziemlich unhöflich und dreist wurde dann teilweise älteren Damen ihre Spende am Anfang des Ganges aus der Hand genommen. Ich finde das ja unmöglich, da ja nicht nur die großen Spenden wertgeschätzt werden sollten, sondern alle und manchmal ist so etwas kleines eben alles was man hergeben kann. (Im Laufe der nächsten Woche ging allerdings auch ein offizielles Schreiben vom Bischhof rum, in dem er sich für dieses Verhalten entschuldigte).

Am Donnerstag fanden dann tagsüber die Vorbereitungen für das letzte Abendmahl statt, welches die Nonnen auf ganz besondere Weise feiern wollten. Es wurde ungesäuertes Brot gebacken und Lamm zubereitet, quasi nach Rezeptvorlage aus der Bibel. Vor dem Essen wuschen die Nonnen sich gegenseitig die Füße und dieses Mal aßen auch die Nonnen zwar unter sich aber trotzdem zusammen, während wir Mädchen es uns draußen gemütlich gemacht hatten. Den Parlor (Wohnraum) hatten wir mit Palmzweigen geschmückt und eine kleine Feuerstelle aufgebaut, damit das Ganze einem Garten zu ähneln begann, in welchem die Nonnen dann die ganze Nacht durchbeteten. Dieses Festmahl am Donnerstag stand im starken Kontrast zu dem Essen vom Karfreitag an dem wir als Art des Fastens nichts anderes aßen außer Brot und Wasser.

Samstags bereiteten wir uns dann auf Ostern vor und abends wurde ein Osterfeuer gemacht und wir hatten eine Nachtmesse von zehn Uhr bis halb zwei morgens, welche wirklich auf mich einmalig und mystisch wirkte. Der Sonntag war dann irgendwie vollgepackt mit Gottesdiensten und Gebetsstunden.

Wir feierten die Ostermesse im Jugendzentrum bei der sich Oscar, der mexikanische Freiwillige, firmen ließ und die gleichzeitig auch seine Abschiedsfeier war, da er am darauffolgenden Mittwoch schon wieder nach Hause flog. Montags fand dann nochmal unsere eigene kleine Abschiedsmesse und –runde für Oscar im Kloster statt, der den Nonnen auch sehr nahestand. Wir aßen gemütlich alle zusammen (diesmal auch mit den Nonnen) und teilten am Ende noch einen deutschen Osterhasen, den wir mitgebracht hatten. Danach ging es dann auch für Eli und mich wieder zurück nach Hause in unsere gemütliche Wohnung in SAC.

Vielleicht klingen meine Eindrücke und Erlebnisse aus dem Kloster etwas komisch für Aussenstehende, aber mir hat die Woche echt Spaß gemacht und man kann halt auch diese Herzlichkeit und Lebensfreude dieser Sisters und inzwischen auch Freundinnen, die so ansteckend ist, nur schwer und holprig in Worte fassen und erklären. Damit möchte ich jetzt nicht leugnen, dass ich mich nicht erst einmal auch sehr über eine wieder kirchenfreie Zeit gefreut hätte und so ein Kloster und unerschütterliches Glaubensverständnis manchmal etwas einengend werden kann, aber ich habe mich trotzdem sehr wohl dort gefühlt, auch wenn ich auf keinen Fall eine Sister werden möchte ;). Vor allem war es interessant, diese unterschiedliche Art und Weise zu beten im Vergleich zu sehen. Diese laute öffentliche Art im Jugendcamp und dann kurz danach diese ruhige individuelle mit den Nonnen von Mary Morningstar.


So inzwischen bin ich aber auch wieder voll und ganz im weltlichen Alltag angelangt, es gibt wieder eine gewisse Routine für uns in Kumbo und in der Arbeit, für die ich sehr dankbar bin und die ich auch genieße. Dass wir gar nicht mehr so viel Zeit hier haben und dass die Zeit zudem gefühlt wie im Flug vorbeigeht, ignoriere ich bisher auch noch ganz gut...;) Momentan arbeite ich bei Justice and Peace, was wohl auch meine Arbeitsstelle bis zum Schluss bleiben wird. Das Office stellt eine moralische Instanz vor dem Gericht dar und die Arbeit gefällt mir wirklich sehr sehr gut, aber darüber erzähle, informiere und berichte ich, glaube ich, lieber ein anderes Mal...:) 

Dienstag, 16. Mai 2017

Guess Who’s Back? Back Again

Januar bis April Teil I

Hallo ihr Lieben,

etwas Unglaubliches ist passiert: am 20. April, also vor fast vier Wochen, hat die kamerunische Regierung dem internationalen und innenpolitischen Druck nachgegeben und doch tatsächlich das Internet, ohne irgendwelche Ankündigungen davor, im anglophonen Teil freigeschaltet und somit dem ganzen Land wieder zugänglich gemacht. Dabei hat sich die politische Situation gar nicht so sehr verändert; es wird weiterhin montags gestreikt, wenn auch nicht mehr so radikal, und die staatlichen Schulen sind zwar geöffnet und die Lehrer treten zum Unterricht an, doch weigern sich die meisten Schüler zu kommen, weswegen die Lehrer dann tagtäglich vor leeren Klassenzimmern stehen. Die Universität in Bamenda ist die einzige anglophone Uni, welche ihren Betrieb wieder komplett aufgenommen hat und die Studenten führen hier ihr Studium wie gedacht fort. Währenddessen bleiben kirchliche und andere Privatschulen weiterhin komplett geschlossen, da sie laut eigener Angabe die Sicherheit ihrer Schüler in der momentanen Lage nicht gewährleisten können. Mit dieser Verweigerung hat sich der Konflikt zwischen den kirchlichen Institutionen und der Regierung nochmals verschärft. Präsident Paul Biya hat übrigens bei einer Rede am 21. April gleich damit gedroht, dass er das Internet jederzeit wieder abstellen kann und wird, sollten die Umstände ihn dazu “zwingen”. Also auch wenn der Zugang zu freiem Internet wieder ein Stückchen Normalität mit sich bringt, ist der Disput zwischen dem anglophonen Raum und der Zentralregierung noch weit davon entfernt gelöst zu werden.

So viel erst einmal zur politischen Lage; es bleibt zwar immer noch schwierig in dieser Angelegenheit fundierte Informationen zu bekommen, doch bin ich sehr erleichtert, wieder recherchieren und Sachen nachlesen sowie natürlich auch wieder mehr mit Familie und Freunden aus Deutschland in Kontakt stehen zu können.

Derweil hat sich in unserem Leben natürlich auch sehr viel getan; wir haben mehrere Arbeitswechsel hinter uns und auch schöne Reisen genossen, hoffentlich bekomme ich noch alles zusammen, aber am besten fange ich mal von vorne an…


Shisong

Von Anfang Januar bis Ende März durfte ich in die Arbeit einer Krankenschwester im katholisch geleiteten Krankenhaus Shisong reinschnuppern.. Leider wurde ich von meinen Aufgabenfeldern etwas enttäuscht; es war zwar durchaus interessant, aber ich glaube insgesamt habe ich wohl einfach nicht genug Leidenschaft für die Krankenhausarbeit.
Naja, jetzt weiß ich aber dafür wenigstens definitiv, dass ich weder Arzt noch Krankenschwester werden möchte ;)

Insgesamt war ich in drei unterschiedlichen Stationen (Wards) und angefangen habe ich auf der Kinderstation. Wieder mit Kindern zu arbeiten hat mir zwar Spaß gemacht, aber ich wurde dann auch schnell desillusioniert und musste merken, dass die Arbeit hier noch einmal etwas ganz anderes ist als im Waisenhaus. So erzählte mir eine belgische Medizinstudentin, die mit mir als Freiwillige auf der Station war, dass sie hier Krankheiten häufig zum ersten Mal in ihrem Endstadium gesehen hat, da viele Familien nicht zum Arzt gehen, wenn das Kind noch in keinem kritischen Stadium ist, um nicht „unnötig“ die relativ gesehen hohen Krankenhausrechnungen ausgeben zu müssen. Mir fiel es auch noch bis zum Ende schwer, die Babys immer weinen zu sehen, wenn sie untersucht wurden oder Spritzen bekamen. Häufiger gab es aber auch mal nichts zu tun, da während meiner Zeit im Ward einfach nicht so viele Kinder aufgenommen waren.

Als nächstes wechselte ich zur Frauenstation (Female Ward), auf der auch unsere Freundin Ivoline als Krankenschwester arbeitet. Geregelt ist eigentlich, dass die Ärzte nur alle zwei Tage zur Visite vorbeikommen und die Krankenschwestern sonst alleine die Station leiten. Als Krankenpfleger muss man sich um die Patienten kümmern (sie baden, mit ihnen reden, täglich Puls, Blutdruck und Fieber messen), Medikamente austeilen sowie generell Betten machen und die Station sauber halten. Besonders gefiel mir, dass wir immer bei Schichtbeginn alle Patienten einzeln besucht haben um Hallo zu sagen, uns vorzustellen und zu fragen wie es geht, genauso haben wir uns dann auch immer verabschiedet, bevor wir gegangen sind und einmal wurde für eine Patientin, die anscheinend besonders traurig schien, gesungen. Krankenpfleger dürfen allerdings nicht Patienten entlassen, was dazu führte, dass manchmal schon wieder gesunde Frauen so lange im Krankenhaus bleiben mussten, bis der nächste Arzt zur Visite kam. Einmal, ich weiß nicht warum, kam es zu einem Ärztemangel im Krankenhaus und wir mussten eine Woche auf der Station ohne Arzt arbeiten. Auf der Station herrschte aber auch totale Überbesetzung; da Auszubildende und werdende Krankenpfleger ohne Schule nichts zu tun haben, nutzen die meisten ihre Zeit momentan um Praktika im Krankenhaus zu absolvieren und schon einmal ein bisschen Arbeitserfahrung zu sammeln. Das führte allerdings dazu, dass teilweise acht statt nur drei Krankenschwestern auf der Station waren und sich die Azubis regelrecht um die noch so kleinen Aufgaben stritten. Naja, für mich blieb dann zwar leider häufiger nur noch Betten machen übrig, aber dafür war es total nett mit den Azubis und auch wenn wir manchmal nichts zu tun hatten, hatten wir wenigstens gute Gespräche.

Am längsten arbeitete allerdings ich in der Apotheke des Integrated Day Care Centers (IDCC). Der Name ist etwas irreführend, da sich die Abteilung in Wirklichkeit um HIV-Erkrankte kümmert. Die Patienten werden hier beraten, aufgeklärt und untersucht. Zudem sollen sie alle drei Monate zur Kontrolle kommen und ihre Medikamente abholen (welche übrigens kostenlos für die Patienten sind, es wird lediglich ein kleiner Beitrag in Höhe von umgerechnet ca. 30 Cent für die Lieferkosten verlangt; sollte dies nicht gezahlt werden können, bekommen die Patienten die Medikamente trotzdem und die Schulden werden aufgeschrieben). In der Apotheke arbeitete ich mit Mme Nicoline zusammen, einer der fröhlichsten und herzlichsten Menschen die ich kennengelernt habe. Hier gab es eigentlich auch immer etwas zu tun, wir beschrifteten, registrierten und gaben Medikamente aus.
Auch wenn ich die Arbeit an sich und vor allem das frühe Aufstehen nicht direkt vermisse, fehlen mir die Menschen, die ich im Krankenhaus kennengelernt habe und der alltägliche Kontakt, an den man sich so schnell gewöhnt hat, doch sehr. Es war auf jeden Fall eine gute Erfahrung und ich bin glücklich, dass ich sie machen konnte.


Abenteuer Mount Cameroon

Im Südwesten Kameruns steht er ja, Mount Cameroon, der größte Berg Westafrikas und mit seinen 4095 Metern eine ganz schöne Wucht. Jährlich findet hier das Mountain Race statt, in dem Läufer den aktiven Vulkan in nur wenigen Stunden hoch und wieder runter rennen. Für die etwas weniger Sportlichen unter uns werden aber zum Glück auch 3-Tagestouren angeboten, bei denen man dann quasi “gemütlich” die Bergspitze erklimmen kann. Das wollten Eli und ich uns natürlich nicht entgehen lassen und so ging es Mitte März nach Buea, der nächsten Stadt zum Kamerunberg, wo wir uns mit acht weiteren deutschen Freiwilligen zusammentaten, um von da aus unser kleines Abenteuer zu beginnen. Organisiert wurde das ganze übrigens von Mt. Cameroon Trekking, eine Organisation, die auch 2 Guides (Führer) und 10 Porter (Träger) mitschickten und sich außerdem um Verpflegung, Ausrüstung und alles Andere kümmerten. 

Es wurde dann mit das Anstrengendste was ich je gemacht habe; wir sind auf 1.000 Höhenmetern gestartet und mussten pro Tag immer so um die 7 bis 10 Stunden wandern, gleich am ersten Tag ging es zudem weitere 1.800 m hoch. Am zweiten Tag erreichten wir dann die Spitze, bevor uns dann schon wieder 1½ Tage Abstieg bevorstanden, die es irgendwie genauso in sich hatten. ABER es hat sich trotzdem auf jeden Fall gelohnt; ich bin einerseits super stolz auf unsere Gruppe, dass wir trotz aller Blasen und Muskelkater, die Tour durchgezogen haben und andererseits ist die Landschaft auf dem Berg einfach unbeschreiblich schön und vielfältig. Wir sind durch Regenwälder, Vulkanlandschaften und Savannen gegangen, zu denen unsere beiden Guides Bruno und Prince auch immer immens viel wussten und zu erzählen hatten. Generell waren die beiden super motivierend und haben uns immer gut angetrieben (es gibt einen Grund warum sich Bruno auch “Bruno the Killer” nennt ;)) aber so waren sie wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum wir es immer geschafft hatten mehr oder weniger im Hellen in unseren Lagern anzukommen.




Die Lager auf dem Berg bestehen noch aus Zelten, die man aufbauen muss, aber auf unserem Weg nach oben haben wir gesehen, wie Hotel und Restaurant schon im Bauprozess sind, sowie eine Straße auf der man wohl bald ganz gemütlich den Berg hochfahren kann. Auch wenn der Ausbau des (Öko-)Tourismus natürlich auch gute Seiten hat und somit wahrscheinlich zudem viele Arbeitsplätze geschaffen werden, bin ich irgendwie doch ganz glücklich noch so alleine auf den Kamerunberg gekommen zu sein, bevor er vielleicht ein allzu bekanntes Touristenziel wird. (Der Tourismus wird übrigens überall in Kamerun momentan mehr und mehr ausgebaut, was ich natürlich einerseits total verstehe, da Kamerun allgemein meiner Meinung nach ein wunderschönes Land ist, aber vielleicht ist es halt auch gerade deswegen so schön, weil es teils so unberührt wirkt und die Menschen einem noch so offen begegnen und einen nicht wie einen Touristen behandeln.) 

Wenn wir dann abends also im (Halb-)dunkeln in unserem Lager ankamen und noch nicht allzu müde und erschöpft vom Tag waren, saßen wir immer noch gemütlich mit unseren Portern am Feuer und haben gekocht und geredet. Hier muss ich noch einmal meinen Riesenrespekt vor diesen Portern zollen, neben ihrer eigenen trugen sie nämlich auch noch unsere ganze Ausrüstung und Verpflegung mit nach oben. Während wir dann also teilweise rumjammerten, waren diese Jungs teils in Flip-Flops unterwegs und trotzdem einfach immer noch viel schneller als wir, abends waren sie dann dennoch immer gut gelaunt, witzig drauf und total lieb. 








Als wir dann 3 Tage später total erschöpft und super glücklich wieder in Buea waren, hieß es erst einmal ausruhen, duschen und gut essen, bevor wir überhaupt an irgendetwas anderes denken konnten. Danach nahmen wir uns aber doch noch ein paar Tage Zeit um Buea zu erkunden und zu genießen. Die Hauptstadt des Südwestens ist vor allem, neben Mount Cameroon, wegen ihrer großen Universität bekannt und wegen dieser auch eine relativ junge Stadt. Verglichen mit Kumbo ist Buea eine richtige Großstadt, die Straßen sind asphaltiert und im gewissen Sinne wirkt die Stadt westlicher. Es gibt mehr Supermärkte und die vielen jungen Leute kleiden sich weniger traditionsbewusst. Buea ist echt spaßig und vielleicht nach Kumbo bisher meine Lieblingsstadt in Kamerun, trotzdem erlitt ich einen kleinen Kulturschock als wir das eine Mal in die Clubszene der Studentenstadt eintauchten. Der Club „Las Vegas“ war riesig und die Musik total laut, die Leute rauchten hier und die Mädchen trugen sehr, sehr kurze Kleider, alles was in Kumbo als verpönt gilt. Ich kam mir wie ein komplettes Landei vor und vermisste gleichzeitig unsere schönen und veralteten Bars in Kumbo. Tja, Zuhause ist es halt immer noch am schönsten und so freute ich mich auch wieder als es zurück in unser „kleines“ Kumbo ging.

So viel also erst einmal zu Januar, Februar und März, was alles im April passiert ist, erzähle ich dann glaube ich ein anderes Mal…;)

Donnerstag, 23. März 2017

Neuigkeiten aus Kamerun

Hallo ihr Lieben,

wie einige von euch vielleicht mitbekommen haben, wird im anglophonen Gebiet Kameruns nun schon seit Mitte November in unterschiedlichen Formen demonstriert und gestreikt. Seit ca. fünf Monaten sind deswegen die Schulen im Nord- und Südwesten geschlossen, es kommt immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen, sowohl von Demonstranten als auch von Seiten der Regierung, und zudem wurde am 18.01. das Internet für den englischsprachigen Raum gekappt um den Informationsfluss zu hindern (daher kam ich auch erst dieser Tage, bei einem kurzen Aufenthalt im frankophonen Bafoussam, dazu, diesen und den vorherigen Beitrag hochzuladen).

Eigentlich wollte ich schon früher in einem Blogbeitrag über die politische und gesellschaftliche Situation und ihre Ausmaße hier berichten, bin dann aber doch immer ein wenig davor zurückgeschreckt, da man nur schwer und selten objektive und fundierte Informationen erhält. Bei angeblichen Fakten und Videos die per Internet und SMS verbreitet werden und den widersprüchlichen Geschichten, welche die staatlichen Fernsehsender melden, fällt es schwer den Überblick zu behalten und zwischen Wahr und Falsch zu unterscheiden. Auch kamerunische Vertraute erzählen und erklären bestimmte Geschehnisse und Neuigkeiten sehr anders, da auch sie einerseits Schwierigkeiten haben an aufgeklärte Nachrichten zu kommen (und man sich häufig auf Erzähltes verlassen muss), und andererseits aber auch viele Angst vor Spitzeln der Regierung haben und deswegen nicht gerne ihre Meinung öffentlich machen.

Ich beziehe mich für diesen Bericht hauptsächlich auf einen öffentlichen Appell der Bischöfe in der Nord- und Südwestregion an den Präsidenten Paul Bija; in dem Brief beschreiben sie unter anderem die geschichtlichen Hintergründe und das „anglophone Problem“. Dazu kommt Selbsterlebtes und Informationen, die Eli mir gegeben hat, da bei ihrer Arbeit im Justice and Peace Office noch sehr viel mehr über den Streik gesprochen wurde. Zudem hat sie auch ein Video mit ihrer Kollegin Ivonne gemacht, welche die die Ursachen und den Verlauf des Konflikts meiner Meinung nach sehr gut beschreibt (https://www.youtube.com/watch?v=KvwHsZLuQgQ).

Die Ursache des Streiks kann man eigentlich bis zur Kolonialzeit zurückverfolgen. Nach der deutschen Kolonialherrschaft wurde das kamerunische Gebiet 1916 in eine französische und eine britische Verwaltung aufgeteilt. Diese bauten in ihren jeweils eigenen Provinzen zwei politisch völlig getrennte Einheiten auf, was eine spätere Wiedervereinigung deutlich erschwerte. Nach der Unabhängigkeit 1961 konnte sich der britische Raum entscheiden, ob er Unabhängigkeit durch einen Anschluss an Nigeria oder an die französischen Provinz Kameruns, die „Republic of Cameroon“ wollte. Die Bevölkerung wollte eigentlich mehrheitlich die Bildung eines eigenen Staates, dies wurde allerdings ironischerweise schon vorab von Großbritannien gestrichen, weswegen nun, per Volksabstimmung, der nördliche Teil beschloss sich Nigeria anzuschließen, während der südlich Teil mit dem französischen Kamerun die „Federal Republic of Cameroon“ bildete. Obwohl die britische Provinz nur ein Fünftel des Landes ausmacht, sollten beide „Kulturen“ laut Verfassung gleichbehandelt werden und Englisch und Französisch wurden die beiden Amtssprachen des Landes.

In Realität dominiert aber nun das Französische. Viele Anglophone haben das Gefühl, ihre Kultur werde systematisch ausgegrenzt und durch die Französische ersetzt. So wurde inzwischen das „Federal“ aus der „Republic of Cameroon“ wieder herausgenommen, ein eigentlich unnötiger Schritt, der für viele Nord-und Südwestler nur ein weiterer Beweis dafür  ist, dass der föderale Gedanke untergraben wird. Beamten und Repräsentanten der Staatsgewalt und des Militärs sind überproportional frankophon und versuchen nicht einmal im englischsprachigen Teil englisch zu sprechen. Eine hinzukommende gewisse Hochnäsigkeit verschlimmert die Lage noch immens. Auch in der Politik scheinen Schlüsselpositionen meist unter Frankophonen aufgeteilt zu sein und Gesetzestexte werden teils gar nicht mehr ins Englische übersetzt. Wie im Rest des Landes wird auch in den Schulen das Englische marginalisiert; zentrale Abschlussprüfungen werden häufig nicht übersetzt, französische Lehrer werden - obwohl sie kein Englisch sprechen - in die anglophonen Regionen zum Unterrichten geschickt und auch hier scheinen es frankophone Schüler einfacher zu haben auf gute Universitäten zu kommen.

Zu diesem anglophonen Problem kommt noch ein allgemeiner Frust auf die Regierung, die allerdings weiterhin jedwede Benachteiligung der anglophonen Region bestreitet und das Problem ignoriert. Paul Biya ist nun schon seit über 34 Jahren Präsident (zuvor schon 7 Jahre Premierminister) und in der Politik scheint sich seither nichts zu ändern –  jedenfalls  sind nur wenige Fortschritte im Alltag zu sehen. Das regt die meisten Kameruner mit denen man spricht besonders auf, da Kamerun eigentlich viele Ressourcen hat und tatsächlich schon viel weiter sein könnte. All das hat schlussendlich dazu gefühlt, dass viele nicht mehr an die Demokratie, sondern an die Korruption im eigenen Land glauben.

Nun wurden allerdings die Stimmen der Unzufriedenen lauter. Mitte November fing es mit einem Streik der Anwälte in den Nord- und Südwestregionen an, welche eine Übersetzung des „Ohada-Laws“ ins Englische forderten, dem Handelsrecht mit West und Zenralafrika. Bald darauf schlossen sich auch die Lehrer an. Der Versuch, den Streik gewaltsam zu unterdrücken, schlug fehl und führte nur dazu, dass sich noch mehr Leute, darunter auch viele für das Alltagsleben so wichtige Bike-Fahrer, den Demonstrationen anschlossen und sich die Bewegung radikalisierte. Inzwischen kam es gerade in Bamenda, der inoffiziellen Hauptstadt des anglophonen Raums und in der Universitätsstadt Buea zu Ausnahmezuständen, krassen Menschenrechtsverletzungen und massiver Gewalt von beiden Seiten, die nun auch schon Todesopfer forderte. In Kumbo blieb es allerdings relativ ruhig und wir persönlich bekamen nur wenig von der Krise mit.

Ab Anfang Januar an etablierte sich dann „Ghost Town“ als Streikmethode in den Nord- und Südwestlichen Regionen. Ghost Town ist jeden Montag und bedeutet, dass alle Geschäfte an diesem Tag geschlossen bleiben, die Bikes und Taxis nicht mehr fahren und keiner auf die Straße geht. In der Theorie ist diese Methode des Demonstrierens eigentlich sehr bewundernswert, da sie einerseits sehr aussagekräftig und dazu noch vollkommen friedlich ist. Man muss aber sagen, dass einerseits die Regierung in Yaoundé nicht allzu beeindruckt von Ghost Town wirkt und andererseits auch viele Kleinhändler Ghost Town nicht freiwillig unterstützen, sondern aus Angst vor Vandalismus ihre Geschäfte schließen, denn „Verräter des Streiks“ werden unter den radikaleren Strängen der Bewegung nicht gerne gesehen.

Ein wichtiger Grund warum der Widerstand dieses Mal lauter zu Tage kommt, ist durch das Internet geschaffen. Da die wichtigsten Fernsehsender alle verstaatlicht sind und meistens im Thema Streik Lügen veröffentlichen, zum Beispiel melden, dass in Bamenda die Schulen wieder geöffnet sind, wenn dies faktisch einfach nicht stimmt, sind für viele Kameruner Whatsapp und Facebook zu den wichtigsten Medien geworden, wenn es darum geht Informationen zu verbreiten und den Widerstand zu organisieren. Natürlich birgt auch das wieder ganz andere Gefahren mit sich, denn häufig kann man sich über die Herkunft einiger Texte oder Videos, welche beispielsweise die Missstände in Buea zeigen sollen, nicht sicher sein und trotzdem werden sie von vielen ernst genommen und schüren die Wut und Radikalisierung. Unter anderem deswegen, die genauen Gründe wurden nie genannt, hat die Regierung am 18.01. dann das Internet für den anglophonen Raum einfach abgestellt. Für uns aus Deutschland ziemlich unvorstellbar und auch für die Kameruner erst einmal ein Schock.

Der Streik geht trotzdem noch weiter, auch wenn Ghost Town, zumindest in Kumbo, immer weniger durchgehalten wird. Einzuschätzen, wie es jetzt weitergehen soll, fällt mir schwer. Der Schulstreik scheint in eine Art Sackgasse gelaufen zu sein; die Schulen zu öffnen, ohne irgendwelche vorausgegangenen und ernstzunehmenden Reformationsansätze, würde wie eine Niederlage aussehen, weswegen die meisten Schulen weiter streiken, dabei sind  allerdings die anglophonen Schüler und Familien selbst, die ihr Schulgeld für dieses Jahr schon bezahlt haben und jetzt nicht zur Schule gehen können, die größten Verlierer.

Es gibt zwar immer noch einige starke Reformations- oder sogar Separationsströmungen in den anglophonen Regionen, aber viele Leute, die mir begegnen, scheinen des Streikens mittlerweile müde zu sein. Die Lehrer bekommen kein Gehalt mehr und auch viele Händler kämpfen mit einem Tag weniger Arbeit und Verdienst in der Woche. Dazu kommt noch, dass man momentan ohne Internet auch keine Geldtransfers machen kann, was einige Familien in eine finanziell schwierige Situation bringt. Man sehnt sich wieder nach einer stabilen und sicheren Lage, aber dass die ganzen bisherigen Opfer umsonst gewesen sein sollen, ist natürlich auch kein schöner Gedanke. Es bleibt also nur die Hoffnung, dass Regierung und Widerstand vielleicht doch noch in einen Dialog kommen und es schaffen, dieses Problem auf eine friedliche Art und Weise zu lösen.

Dienstag, 21. März 2017

Von Hauptstadtgewusel, Bürokratieanstrengungen, Babyaffen, Seminar am Strand, Fußballfieber und vielem mehr...

 


 Ende Januar sollte es für Eli und mich eigentlich ganz entspannt zu unserem Zwischenseminar nach Kribi gehen. Die Betonung liegt auf eigentlich, denn leider gab es bis kurz vor Abreise immer noch Probleme mit unseren Visa, welche Anfang Februar abliefen; also genau dann, wenn wir beim Seminar sein sollten.

Father Dan hatte sich die letzten Jahre immer gut um die Visumsverlängerungen, die man nur in Yaoundé beantragen kann, gekümmert, aber dieses Mal schien das irgendwie nicht so recht zu klappen. Unser Mentor, Father Francline, konnte Father Dan anscheinend einfach nicht erreichen und wartete die letzte Woche vor dem Seminar immer noch auf einen Rückruf; während wir gleichzeitig unseren Mentor nicht erreichen konnten und nicht wussten, was der weitere Plan sein sollte.  Als wir ihn dann endlich am Donnerstag abfangen konnten, waren wir bereits in relativ großer Zeitnot. Da Father Dan immer noch unauffindbar war, packten Eli und ich schnell unsere Sachen und setzten uns gezwungener Maßen spontan am selben Abend in einen Nachtbus nach Yaoundé.



Wir kamen schließlich um fünf Uhr morgens in der Hauptstadt an, hatten gerade noch Zeit uns zu duschen, um uns dann pünktlich um sieben Uhr zur Polizeistation aufmachen zu können. Wir waren beide völlig übermüdet, gestresst und mussten uns jetzt auch noch auf Französisch unseren Weg durch die Institutionen suchen. 
Die wussten, so schien es,selbst nicht so recht was sie mit uns anfangen sollten und schickten uns von Behörde zu Behörde im Kreis weiter. Schließlich fanden wir doch noch eine Polizistin, die uns unsere Dokumente abnahm, uns aber erklärte, dass die Visumsverlängerung frühestens Montag oder Dienstag fertig sein könnte, nach Seminarbeginn also, da half alles bitten und betteln nichts. Das bedeutete, dass wir nach dem Seminar noch mal nach Yaoundé müssten.

Für uns, inzwischen schon völlig entnervt von der Stadt, kein schöner Gedanke. (Dazu muss man sagen, dass ich Yaounde eigentlich sehr gerne mag und die Stadt auch viele interessante und coole Ecken hat, aber zu denen gehört nun mal nicht die Polizeistation und von der hatte ich an dem Tag wahrlich genug gesehen.)

Naja, da konnte man jetzt nichts mehr machen, weil wir aber nicht bis Seminarbeginn in Yaoundé bleiben wollten, schlossen wir uns spontan vier Freiwilligen an, die von Edea aus (auf dem Weg zwischen Yaounde und Kribi), am Sonntag einen Tagesausflug zur Schimpanseninsel bei Marienberg planten.

Auf drei unbewohnten Inseln nahe Marienberg gründete nämlich die Französin Patricia Leschaeve 2003 die Stiftung Papaye, die Schimpansen-Waisen, welche sonst verhungern oder über den Schwarzmarkt an Privatleute verkauft werden würden, aufnimmt und großzieht. Man kann mit einem Guide und für einen Eintrittspreis auf eine dieser Inseln gehen und dort die Schimpansen-Kinder besuchen, etwas was wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollten. So machten wir uns dann am Sonntag morgen, mit einer riesen Tasche voll mit Obst und Gemüse für die Schimpansen, von Edea nach Marienberg auf.

Die Anreise dauerte etwas länger als geplant, da unser Fahrer sowohl keine Papiere für sein Auto hatte als auch einen auslaufenden Kühler, weswegen wir dauernd bei Polizeikontrollen angehalten wurden. Wenigstens den auslaufenden Kühler konnte er reparieren mit, ich wollte es kaum glauben, Tomatenmark! Danach funktionierte erstaunlicherweise wieder alles und wir konnten weiterfahren.  



In Marienberg angekommen, holte uns ein freundlicher Mitarbeiter ab und fuhr uns mit einem Boot ins Camp, in dem momentan neben Pflegern und Hunden, 6 Schimpansen-Kinder leben, zwischen einem und neun Jahren alt. Wir wurden gleich von Tomatoe begrüßt, der total neugierig und verspielt auf uns zukam und uns mit in den Regenwald zu seinen Spielgefährten begleitete. Dort angekommen, riefen die Pfleger die anderen Schimpansen und lockten sie mit unserem Obst an. Bald schon waren wir umringt von Banana, Miel, Lemon und nderen mit ähnlich leckeren Namen. Es ist wirklich unfassbar diese kleinen und irgendwo so menschlichen Schimpansen-Kinder auf dem Arm zu halten und mit ihnen Hand in Hand spazieren zu gehen. Nur mussten wir mit unseren Wertsachen vorsichtig sein, immer wieder versuchte Miel unsere Handys und Kameras zu klauen; diese zu packen und damit auf den nächsten Baum zu klettern, scheint nämlich ein unheimlich spaßiges Spiel zu sein. 

Auch unsere Zöpfe und Bekleidung waren sehr interessant und es wurde immer wieder daran gezogen und gezerrt. Viel zu schnell mussten wir den Kleinen leider schon wieder Tschüss sagen und zurück ins Camp gehen, nur Banana folgte uns noch bis zum Boot, mit dem wir wieder ablegten und zu den Inseln Pongo, auf der die erwachsenen Tiere mit ihren Kindern leben, und Okokon, die Insel der „Schimpansen-teenager“, fuhren. Diese durften wir zwar nicht betreten aber wir konnten ganz nahe heranfahren und einige Schimpansen vom Boot aus sehen. Die Schimpansen, wurde uns erklärt, leben auf verschiedenen Inseln damit es zu keinen Rudelrivalitäten kommt. Auf den Inseln können die Tiere in Halbfreiheit leben, da sie nicht schwimmen können, können sie die Inseln natürlich nicht verlassen, aber sie haben ihr Territorium für sich.

Danach war unser Ausflug leider schon zu Ende und es ging mit dem Boot zurück nach Marienberg und von dort aus mit dem Taxi (diesmal zum Glück deutlich schneller) wieder nach Edea. Der Ausflug war einfach nur mega schön und ich bin total glücklich so etwas gesehen und erlebt haben zu können.






Montag in aller Früh ging unsere Reise dann weiter nach Kribi. Wir wurden in einem wunderschönen Hotel direkt an Kribis Traumstrand untergebracht. Das Seminar wurde von Brot für die Welt organisiert und es kamen zwei Mentorinnen aus Deutschland extra für die Woche nach Kamerun. Sie hatten für uns total lieb Gummibärchen, Nutella und Vollkornbrot aus Deutschland mitgebracht, über die sich alle freuten; aber das eigentlich Highlight, auf das wir uns alle stürzten, waren deutsche Zeitschriften von den letzten Wochen. Da kamerunische Nachrichten eher über lokale und nationale Geschehnisse berichten und die meisten Freiwilligen im anglophonen Teil ohne Internet sind, waren wir politisch echt nicht mehr auf dem Laufenden, deswegen war die erste Seminareinheit eine offene Runde in der wir unsere Fragen über die Weltgeschehnisse loswerden konnten. Wenn man dann so hört, was für einen neusten Unfug Trump als Präsident treibt und wie es um die Flüchtlingskrise in Europa steht, während man selbst im Stuhlkreis mit Blick aufs Meer sitzt, kommt einem das alles wirklich ganz weit weg und wie eine andere Welt vor.

In der nächsten Woche sprachen wir im tollsten Seminarraum überhaupt (der eigentlich gar kein Raum war sondern die Veranda des Hotels mit Meeresblick und -rauschen) über die unterschiedlichsten Dinge. Neben Themen wie Aktionspläne für die nächsten sechs Monate und Rückkehr nach Deutschland, wurden auch die wirklich wichtigen Sachen geklärt, wie z.B. die Namensgebung der einzelnen Freiwilligen Teams. So haben wir jetzt das „Douala-Duo, die „Bamenda-Babes“, die „Buea-Boys“ und uns natürlich, den „Kumbo-Klan“. Bei so wichtigen Themenbesprechungen blieb leider nur wenig Raum für Freizeit aber wir nutzten trotzdem jede kleinste Pause um ins Meer zu hüpfen. Das Seminar endete leider viel zu schnell und man hätte bestimmt noch ewig weiterreden können auch wenn wir so langsam erschöpft vom ganzen Reflektieren waren. Der Abschied von den anderen Freiwilligen war gar nicht so leicht aber wir planen zum Glück schon die nächsten Besuche untereinander.


Eli, zwei andere Freiwillige aus Bamenda und ich blieben dann noch den Sonntag in Kribi, da wir Montags  ja nochmal nach Yaoundé mussten. Wir machten uns einen schönen Tag am Strand und schauten abends dann das Finale der afrikanischen Fußballmeisterschaft. Es spielte Kamerun gegen Ägypten und auch wenn Ägypten anscheinend bessere Chancen hatte, schaffte es Kamerun gegen Ende noch zwei Tore zu schießen und sich somit den Sieg zu sichern. Alle waren völlig aus dem Häuschen und freuten sich total.

Unser Rückweg über Yaoundé nach Kumbo war dann nicht mehr so erwähnenswert. Den Tag, den wir damit verbrachten unsere Visa zu holen war wieder einmal sehr lang und nervig, aber wenigstens hatten wir am Ende unsere Visa für weitere sechs Monate in der Hand und konnten damit und mit vielen neuen Erfahrungen im Gepäck glücklich nach Hause weiterreisen.

P.S. Ganz ganz großes DANKESCHÖN an Eli für die vielen schönen Bilder, mit denen sie unsere Reisen immer festhält und die ich dann hier mit euch teilen kann.