Trauer und Tradition
Vor einigen Monaten ist der Fon von Ivolines Heimatdorf Mbiame gestorben,
oder besser gesagt, da traditionelle Herrscher in der Banso-Kultur* nicht
sterben, verschwunden. Was folgte, war eine große Trauerfeier und eine
zweimonatige Trauerzeit in und um den Palast herum. Mitte März nahm Ivoline Eli,
Jordan (ein anderer deutscher Freiwilliger) und mich mit auf einen Besuch zu
ihrer Familie um das ganze Geschehen zu beobachten. Nachdem wir von Ivos
Familie herzlich in ihrem Haus begrüßt wurden und uns etwas ausgeruht hatten,
machten wir uns auf den Weg zum Palast und stürzten uns ins Gewusel von den
vielen Dju-Djus und Schaulustigen. Davor mussten wir uns aber noch umziehen, da
Frauen auf dem Palastplatz nur in Wrappers gekleidet sein dürfen. Die Frauen
des Dorfes müssen zudem auch noch all ihre Haare abschneiden als Symbol ihres
Schmerzes. (Ivo war deswegen bedacht ja nicht zu lange in der Nähe des Palastes
zu bleiben, damit auch keiner auf die dumme Idee käme ihr auch noch die Haare
abschneiden zu wollen.)
auf dem weg zum Palast |
in welchem der Dialekt Lamso` gesprochen wird.
Die Königinnen und Prinzessinnen des Fondoms
(Herrschaftsgebiet eines Fons) trauerten zudem in einen abgelegenen Raum, den
sie für die Dauer des Trauerprozesses nicht verlassen durften. Tatsächlich stand
allerdings im April ernsthafte Feldarbeit an, bei der man auf die Unterstützung
der königlichen Frauen nicht verzichten wollte, weswegen ab dem zweiten Monat
nur noch drei Tage der Woche traditionell getrauert wurde, während einen im
Rest der Woche schon wieder die alltäglichen Pflichten eingeholt hatten. Auch
wenn der Raum für die Königinnen an sich etwas düster und karg wirkte, begrüßten
uns die Hoheiten um so freundlicher; wir durften und wurden aufgefordert Fotos
zu machen und bekamen Palmwein sowie Kolanüsse (eine bittere Nuss, die häufig
bei traditionellen oder festlichen Anlässen geteilt wird, als Zeichen des
Friedens, der Gastfreundlichkeit und Zusammengehörigkeit).
das Königinnenhaus |
unter Königinnen |
Ob der nun gefundene Fon freiwillig angetreten ist, weiß ich nicht, aber er
war auf jeden Fall höflich und für die Verkrampftheit, die einer solchen
Audienz immer mitschwingt, sehr nett. Wir bekamen ein Huhn geschenkt, was in
der nächsten Woche bei Ivo im Topf landete. (Mein Vegetarier-Dasein wird
inzwischen auch eher nur noch theoretisch als praktisch umgesetzt. J)
Was Ivoline aber sehr wohl an dem ganzen Traditionsbewusstsein stört, ist
die Rolle, welche der Frau zugeschrieben wird. Es ist schon ein klares Zeichen
von Ungleichheit und Einschränkung, wenn
wir Frauen nur in Tüchern bekleidet sein dürfen und jedes Mal unsere Schuhe
ausziehen müssen bevor wir einen Platz des Palastes betreten dürfen, während
die Männer sich keine solchen Sorgen machen und ganz normal ohne Auflagen herumlaufen
dürfen.
Das ging dann auch noch so weiter als wir am 6. Mai nach Mbiame zurückkehrten
um beim Marsch teilzunehmen, welcher die Trauerperiode beenden sollte. Diesmal
trugen alle Frauen rote Gewänder, da rot die Farbe der Trauer symbolisiert, und
während Eli und ich uns irgendetwas rotes hatten schneidern lassen, hatten die
Frauen des Dorfes alle ein und denselben Stoff an, welchen sie extra für diesen
Tag bekommen hatten und den sie danach auch nie mehr verwenden würden. Um den
Palast herum stieg ein riesen großes Fest mit unglaublich vielen Dju-Djus, die
ich teilweise noch nie davor gesehen hatte. Zudem traten auch die „Soldaten” des
Palastes in traditioneller Kleidung auf, bewaffnet mit veralteten Gewehren oder
Bogen, mit denen sie immer wieder in die Luft schossen. (Allerdings waren die
Gewehre wie man uns erklärte nicht mit echter Munition geladen.)
beim schneidern des Trauerkleids ;) |
Als wir wieder beim Palast ankamen, zogen sich
die Frauen erst einmal um. Alle trugen nun ganz bunte Kleider und inzwischen
war wieder alles, bis auf rot, erlaubt, außerdem setzen die meisten Frauen auch
ihre Perücken auf und sahen mit Haaren schon wieder viel lebhafter aus. Eli und
ich wurden jetzt häufig als die zwei Weißen vom Marsch erkannt und auch wenn
viel über uns gelacht wurde, merkten wir glücklicherweise trotzdem, dass die
Leute sich an unserer Teilnahme erfreuten und nahmen uns in den Kreis der
Frauen aus Mbiame auf J.
Es wurde also fleißig weiter gefeiert im Palast, jetzt aber nicht mehr als
ein Fest der Trauer über den verlorenen Fon, sondern als eine Feier der Freude über
den neuen Fon und das Leben allgemein.